Software-Recht und Lizenzen

Wann Software unter Schutz steht

Darf man fremde Software ändern, wenn sie auch Open-Source-Code enthält? Wann ist Software patentierbar? Dieser Beitrag berichtet über die aktuelle Rechtsprechung und versucht, etwas Licht in das komplexe Softwarerecht zu bringen.
Wer sein System permanent überwacht, hat den Grundstein dafür gelegt Engpässe zu vermeiden und Fehler frühzeitig zu erkennen. Neben dem Platzhirsch Nagios ... (mehr)

Es ist nicht in jedem Fall verboten, fremde Software zu ändern. Stattdessen kann das zum einen erlaubt sein, wenn die Ursprungssoftware Open-Source-Komponenten enthält und insgesamt unter die GPL fällt. Zum anderen ist das aber auch deshalb erlaubt, weil die fragliche Software erst gar nicht urheberrechtlich geschützt ist.

AVM, Hersteller des DSL-Routers Fritzbox, hatte die Cybits AG verklagt, die die Jugendschutzsoftware Surfsitter DSL vertreibt. Das Programm nutzt die Fritzbox als Plattform, rief zunächst die Original-Firmware auf und modifizierte sie dann so, dass einige Funktionen der Fritzbox deaktiviert wurden, was Nachteile mit sich brachte. Der Nutzer sah dadurch aber beispielsweise trotz aktivem Internetzugang die Statusmeldung "Nicht verbunden". Zudem wurde die Original-Kinderschutzfunktion fälschlicherweise als aktiv bezeichnet und die Firewall deaktiviert. Neben der Fritzbox-Oberfläche erschien eine Surfsitter-Benutzeroberfläche.

Rufschädigend

AVM sah dies als eine nicht bestimmungsgemäße Nutzung der Firmware und wollte es unterbinden, denn viele Kunden hätten sich beim Support von AVM beschwert, da angeblich die Software nicht mehr richtig funktioniere. Die angeblichen Fehlfunktionen der Fritzbox seien jedoch auf die Installation von Surfsitter zurückzuführen. AVM verklagte das Unternehmen wegen Urheberrechtsverletzung, einem Wettbewerbsverstoß und Markenrechtsverletzung aufgrund der Produktveränderung.

Die Firmware sei ein von angestellten Programmierern komplex erstelltes System mit zahlreichen Software-Modulen, deren Programmierung jeweils komplex sei. Mit der ausschließlich als Ganzes vertriebenen Fritzbox hätte AVM eine aufeinander abgestimmte Einheit aus Hardware und darauf optimierter Firmware geschaffen, in der sowohl Open-Source-Software als auch proprietäre Software enthalten sei. Dies sei insgesamt ein urheberrechtlich geschütztes Sammelwerk, heißt es in der Klage. Die Cybits AG vervielfältige mit der Software Surfsitter auch die in der Firmware enthaltene proprietäre Software von AVM. Die Entfernung einiger Dateien der Firmware sei eine nicht zulässige Umarbeitung, wobei leider nicht ganz klar aus dem Urteil hervorgeht, welche Teile der Software nun tatsächlich genau modifiziert worden waren. AVM störte sich im Wesentlichen aber nicht an der Umarbeitung, sondern daran, dass der Verbraucher die durch die Installation von Surfsitter ausgelösten Fehlfunktionen AVM zuordne. Dies beeinträchtige seinen guten Ruf und die Garantie für die Geräte und sei ein wettbewerbswidriges Verhalten.

Die Cybits AG wies darauf hin, dass Nutzer von Surfsitter mit einem Häkchen bestätigen müssten, dass die Installation von Surfsitter bewirke, dass die Onlinestatusanzeige der Fritzbox ohne Funktion sei, die Kindersicherung nicht mehr verwendet werden könne und die Firwall durch eine Linux Standard Firewall ersetzt sei. Die Cybits AG stellte ihre Verteidigung dann aber im Wesentlichen auf urheberrechtliche Aspekte ab und meinte, die Firmware genieße keinen selbstständigen, über den Schutz ihrer Bestandteile hinausgehenden eigenen urheberrechtlichen Schutz, der Bearbeitungen verbiete. Da die Firmware Open-Source-Software enthalte, würde die GPL für die gesamte Firmware als Sammelwerk gelten. Dem Verfahren war aufseiten der Cybits AG ein Linux-Programmierer beigetreten, vertreten durch den Open-Source-Experten Rechtsanwalt Dr. Till Jaeger.

Infektion mit der GPL

Das Landgericht Berlin (AZ 16 O 255/10) entschied über den Fall am 8. November 2011: Der mit der Klage geltend gemachte urheberrechtliche Unterlassungsanspruch habe keinen Erfolg. Bei der Firmware handle es sich um ein Sammelwerk, das aus zahlreichen einzelnen Dateien bestünde. Diese seien Grundlage der einzelnen Funktionen der Firmware, etwa für die Telefonie, das WLAN oder die Kindersicherung. Teil dieses Sammelwerkes sei der Kernel, der auf dem Linux-Betriebssystem basiere und der als sogenannte Open-Source-Software den Bedingungen der GPLv2 unterliege. Hiernach sei jedem Nutzer die Benutzung und Bearbeitung nach der eingeräumten Lizenz gestattet.

Allerdings sei jeder Nutzer wiederum verpflichtet nach dem sogenannten Copyleft-Prinzip, seine Bearbeitungen ebenfalls der GPL zu unterstellen, andernfalls entfalle die Nutzungslizenz. Für Sammelwerke regle § 2 GPLv2, dass Werke, die Open-Source-Software enthalten, als Ganzes den Bedingungen der GPL unterliegen. Derjenige Nutzer der von der Software profitiere, solle sich ebenfalls an den Bedingungen der GPL festhalten müssen. Das Gericht führt aus: "Die Infizierung eines Sammelwerks insgesamt bei Verwendung von Open-Source-Software in einzelnen Teilen eines Sammelwerks begegnet keinen Bedenken, da das Sammelwerk eine einheitliche Funktionalität aufweist und maßgeblich von den Open-Souce-Bestandteilen abhängt. Danach stehen den Klägern an der Firmware als Ganzes – und so sind ihre Anträge zu verstehen – keine urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche zu."

Nach Ansicht der Autorin hätte das Gericht vielleicht anders entschieden, wenn klar festgestanden hätte, dass Surfsitter separat abgrenzbare proprietäre Computerprogramme von AVM geändert hatte.

Das Gericht verneinte auch den Markenrechtsverstoß und eine gezielte Behinderung. Dennoch war die Klage teilweise erfolgreich, da die Installation der Software Surfsitter Fehlfunktionen verursache und dies die Interessen von AVM spürbar beeinträchtige. Die Funktionen würden nachteilig beeinflusst, und der Nutzer könne nicht ausmachen, auf wen dies zurückzuführen sei, besonders wenn er die Software nicht selbst installiert habe. Dies sei eine rufschädigende Entwertung des Produktes von AVM. Das Urteil war zum Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig.

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