Raspberry Pi als Thin Client - Thin Client für 50 Euro

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Raspberry Pi als Thin Client - Thin Client für 50 Euro

04.04.2019 - 12:38
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Der Raspberry Pi ist vor allem bei IT-Bastlern beliebt und kommt meist als winziger Standalone-Rechner zum Einsatz, etwa als Steuergerät. Weniger verbreitet ist die Nutzung als Thin Client, obwohl sich das Gerät schon aufgrund seiner schlanken Maße gut für diesen Einsatzzweck eignet. Wir zeigen, wie Sie aus einem Raspberry Pi mit PiServer in kurzer Zeit einen nahezu vollwertigen Thin Client machen.

Einer der kleinsten Computer ist der Raspberry Pi 3. Die Platine misst 85 x 56 mm – also keine 50 cm² – und ist mit Gehäuse etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel. Der 64-Bit-Broadcom-Prozessor des aktuellen Modells B+ besitzt vier Kerne und läuft mit 1,4 GHz. Der Raspberry hat 1 GByte RAM, Bluetooth 4.2, WLAN mit 2,4 und 5 Gigahertz, einen Ethernet-Anschluss, vier USB-Ports sowie HDMI- und Stereoausgang. Strom bekommt das Gerät über einen Micro-USB-Anschluss oder mittels einer Zusatzplatine per Power-over-Ethernet (PoE) direkt übers LAN.

Im Internet kostet ein Raspberry-Pi-3-Modell B+ knapp 33 Euro, ein preiswertes Gehäuse 4 Euro und das billigste Micro-USB-Steckerteil 7,50 Euro. Mit noch einmal 5 Euro für eine 8-GByte-Micro-SD-Karte schlägt der komplette Computer mit weniger als 50 Euro zu Buche. Wer den Rechner übers Ethernet mit Strom versorgen will, benötigt noch ein PoE-HAT-Modul für 20 Euro, das es allerdings nur für das genannte und nicht für frühere Modelle gibt. Lediglich die 1 GByte RAM sind etwas knapp bemessen, aber ausreichend für den alltäglichen Betrieb.

Software für den Standalone-Raspberry

Falls Sie den Raspberry Pi standalone einsetzen wollen, finden sich auf der Projektseite zwei offizielle Image-Downloads: NOOBS (New Out Of the Box Software) und Raspbian, ein auf Debian Stretch basierendes System. Darüber hinaus gibt es noch diverse andere Drittsysteme, etwa Ubuntu MATE, das auf der Ubuntu-ARM-Version 16.04 basiert, und Windows 10 IoT Core, der kostenlos nutzbare Nachfolger von Windows Embedded Compact.

Das offizielle Betriebssystem für alle Pi-Modelle ist Raspbian [1]. Das Image in der ZIP-Datei ist über 4 GByte groß. Schreiben Sie es auf eine entsprechend große Micro-SD-Karte – das geht beispielsweise mit dem Programm Etcher [2], das sowohl für Linux, macOS und Windows erhältlich ist. Es hat den Vorteil, dass es ein Image auch direkt aus einer ZIP-Datei schreiben kann. Ist dies geschehen, können Sie den Raspberry Pi mit diesem System starten.

Am einfachsten funktioniert die Installation allerdings mit NOOBS, das derzeit in der Version 3.0.0 auf dem Raspberry-Server liegt. Nachdem Sie die Datei heruntergeladen und entpackt haben, kopieren Sie den gesamten Inhalt des Ordners "NOOBS_v3_0_0" in das Wurzelverzeichnis des SD-Karte. Anschließend stecken Sie die Karte in den Raspberry Pi und starten das Gerät. Nach dem Start können Sie Raspbian oder das Mediaplayer-System LibreELEC installieren. Sollte der Monitor nichts anzeigen, müssen Sie eventuell den korrekten Ausgabemodus über die Tastatur wählen: Standard-HDMI ("1"), sicheres HDMI ("2"), PAL ("3") oder NTSC ("4").

Bei der verwendeten SD-Karte gilt noch zu beachten, dass der Raspberry-Pi-Bootloader nur die FAT-Dateisysteme FAT16 und FAT32 unterstützt. 64 GByte fassende oder größere SD-Karten mit exFAT-Dateisystem müssen Sie deshalb zunächst auf FAT32 umformatieren. Unter Linux und macOS erledigen das die Standardformatierungstools der jeweiligen Systeme. Sie müssen lediglich die vorhandene exFAT-Partition löschen und eine neue primäre Partition mit FAT32 erzeugen und formatieren. Die Standardtools in Win­dows erlauben hingegen nur bei maximal 32 GByte großen Partitionen, diese als FAT32 zu formatieren. Für größere SD-Karten benötigen Sie ein Werkzeug wie SD Formatter [3], um die Partitionen entsprechend zu löschen und neu anzulegen. Anschließend können Sie die Karte mit einem Tool wie fat32format [4] formatieren.

PiServer installieren

Notwendig sind für eine Thin-Client-Umgebung aber weder NOOBS noch Raspbian. Was Sie aber auf jeden Fall brauchen, ist der sogenannte PiServer. Dieser steckt in einer weiteren Datei, dem Raspberry Pi Desktop [5] für PC und Mac, und dient als Serversystem für den Raspberry-Thin-Client. PiServer entdeckt angeschlossene Raspberry-Pi-Rechner automatisch, setzt einen DHCP-Server auf und erzeugt Benutzer samt Passwörter für den Server.

Bild 1: Der erste Schritt beim Einrichten von PiServer ist das Hinzufügen eines Raspberry-Clients.
Bild 1: Der erste Schritt beim Einrichten von PiServer ist das Hinzufügen eines Raspberry-Clients.

 

Voraussetzung für den Betrieb von PiServer sind Raspberry-3-Modelle, die per PXE übers Netzwerk booten können. Ältere Raspberrys funktionieren nicht beziehungsweise nur mit größerem Aufwand, indem Sie die Raspberry-Firmwaredatei "bootcode.bin" allein auf eine SD-Karte speichern, um dann via Netzwerk zu booten. Die Raspberrys müssen außerdem über LAN mit demselben Netzwerk verbunden sein und dasselbe Tastaturlayout wie der Server haben. Des Weiteren benötigt der Server einen Internetzugang, um die erforderlichen Programme herunterzuladen.

Der Desktop kann als Live-System von DVD laufen, als virtuelle Maschine etwa in VirtualBox oder als eigenständige Rechnerinstallation. Nach dem Herunterladen und der Installation finden Sie denselben Desktop vor wie bei Raspbian auf dem Raspberry. Dort müssen Sie als Erstes noch Land, Sprache und Zeitzone einstellen, ein Passwort wählen – der Standardnutzer "pi" hat das Passwort "raspberry" – und danach die Netzwerkverbindung, um abschließend das System auf den aktuellen Stand zu bringen und die Sprachpakete zu installieren.

In Raspbian sind ebenso wie beim Raspbian-Desktop LibreOffice, der Webbrowser Chromium, der Mailclient Claws Mail sowie weitere Standardprogramme bereits aufgespielt. Außerdem hat der Nutzer Zugriff auf jede Menge Debian-Pakete für die ARM-Architektur. Darin enthalten sind beispielsweise die Pakete freerdp, grdesktop und rdesktop, mit deren Hilfe ein Benutzer sich mit einem Windows-Terminalserver verbinden kann, wie es beispielsweise in der Pro-Version von Windows 10 enthalten ist.

Bild 2: Derzeit können Sie bei PiServer drei Varianten von Raspbian als Betriebssystem für die Thin Clients wählen.
Bild 2: Derzeit können Sie bei PiServer drei Varianten von Raspbian als Betriebssystem für die Thin Clients wählen.

PiServer einrichten

Unter "Einstellungen" im Programmmenü des Desktops finden Sie das Programm PiServer. Starten Sie es. Nach einigen Hinweisen und einem Klick auf "Next" erscheint eine Liste mit allem im Netzwerk vorhandenen Raspberrys. Hier wählen Sie wiederum "Next", um zur Login-Methode zu gelangen. Falls Sie einen LDAP- oder einen Active-Directory-Server nutzen, können Sie die Anmeldeinformationen von dort übernehmen. Ansonsten verwaltet PiServer die Accounts, für die Sie auf dem nächsten Bildschirm Benutzernamen und Passwörter eingeben können.

Als Nächstes wählen Sie das Betriebssystem, das PiServer für die Clients bereitstellt. Hier stehen derzeit Raspbian Full, Raspbian und Raspbian Lite zur Verfügung. Raspbian Lite stellt keinen grafischen Desktop bereit, nur die Kommandozeile, Raspbian kommt ohne LibreOffice. Die beste Wahl ist hier also Raspbian Full. Sie können hier auch eigene Systeme wählen, entweder aus einer lokalen Datei oder von einer URL. Nach Beendigung des Assistenten können Sie jedem Client individuell ein System zuordnen. Weitere Informationen über das Erstellen dieser Images finden Sie in den Skripten im Verzeichnis "/var/ lib/piserver/scripts".

Unter anderem werden nun die Dienste LDAP, NFS und DHCP installiert und das gewählte System eingerichtet. Danach ist die Installation fertig und PiServer startet. Nun müssen Sie nur noch die angeschlossenen Clients rebooten, um sie vom Server laufen zu lassen. Nach dem Hochfahren dauert es einige Zeit, bis der Login-Bildschirm erscheint, auf dem Sie den im PiServer angegebenen Benutzernamen und das zugehörige Passwort eingeben müssen.

Weitere Thin-Client-Lösungen für Raspberry Pi

Viewsonic und Citrix haben bereits 2016 ein Gerät mit dem etwa hölzern klingenden Namen "ViewSonic SC-T25 Citrix Workspace Hub" vorgestellt. Bei dem rund 100 Euro teuren Gerät handelt es sich um einen Thin Client, basierend auf einem Raspberry Pi 3. Als Betriebssystem läuft Stratodesk NoTouch OS. Stratodesk selbst bietet dieses System auch einzeln zum Kauf, eine kostenlose Trial-Version gibt es auf der Homepage.

Ein weiteres Projekt ist PiNet, ehedem Raspi-LTSP. PiNet wurde für Schulen und Organisationen entwickelt, um Raspberry-Pi-Netzwerke aufzusetzen. Es nutzt LTSP (Linux Terminal Server Project) und ist vollständig Open Source. Ubuntu ist das OS des Servers und als Clients fungieren Raspberry-Rechner. Die Installation und Verwaltung des Netzwerks ist sehr gut beschrieben.

WTware verbindet sich mit Windows Remote Desktop Services. Auf dem Raspberry Pi können Sie dann mit dem Windows-Desktop und Windows-Anwendungen arbeiten, die auf einem Windows Terminalserver laufen. TLXOS von ThinLinX ist eine Linux-basierte Lösung, die PCs und kleinere Rechner mit Citrix HDX, VMware Horizon Blast und Microsoft RDP verbinden kann. Die Lizenz für Raspberry Pi kostet 10 US-Dollar, hat aber noch keinen VMware-Horizon-Support. Das Raspberry-Thin-Client-Projekt schließlich zielt darauf ab, Raspberry Pi mit Microsoft RDC, Citrix ICA, VMware View, OpenNX und SPICE zu verbinden. Images für alle Raspberry-3-Modelle wurden zwar im November 2018 angekündigt, waren aber bis zum Redaktionsschluss dieses Beitrags noch nicht verfügbar.

Die Boot-Zeit hängt von der Leistung des Servers ab. Die PiNet-Entwickler raten fürs Arbeiten zu einem Server mit einem Dual-Core-Prozessor, 40 GByte Festplattenplatz sowie einem Ethernet-Anschluss. An Arbeitsspeicher empfiehlt sich für einen Server 4 GByte RAM, für eine virtuelle Maschine 8 GByte. Mehr ist hier sicher besser. Denn davon hängt es ab, ob die Anwendungen schnell starten, Programme flott reagieren oder Videos flüssig laufen. Immerhin raten die Entwickler für einen Raspberry Pi als SD-Karte mindestens zu 16 GByte. Das können Sie in etwa auch für jeden Client veranschlagen.

Nach der Installation von PiServer öffnen Sie mit "Einstellungen / PiServer" das Verwaltungstool. Hier legen Sie neue Nutzer an, fügen weitere Clients hinzu, installieren zusätzliche Systeme, richten gemeinsam genutzte Ordner ein und legen die Parameter des DHCP-Servers fest. Sie können jedem Client ein bestimmtes Betriebssystem zuordnen und den verschiedenen Clients sinnvolle Beschreibungen geben. Neue Benutzer können Sie dazu auffordern, beim ersten Login ein neues Passwort festzulegen.

Bild 3: In der PiServer-Verwaltung fügen Sie weitere Benutzer, Betriebssysteme und Clients hinzu.
Bild 3: In der PiServer-Verwaltung fügen Sie weitere Benutzer, Betriebssysteme und Clients hinzu.

Gängige Probleme bewältigen

Falls sich ein Raspberry nicht mit dem Server verbindet und der Anmeldebildschirm nicht erscheint, können Sie Folgendes versuchen: Sollten sich einige Clients verbinden und andere nicht, prüfen Sie, ob Sie das Booten übers Netz eingeschaltet haben. Für Raspberry-3-Modelle ist das nicht erforderlich, da das die Standardbootmethode ist.

Falls sich kein Client verbinden kann, sollten Sie die Datei "bootcode.bin" aus dem Verzeichnis "/boot" eines Rasp­bian-Images auf eine SD-Karte kopieren, diese in den Client stecken und prüfen, ob der nun als neue MAC-Adresse im PiServer-Tool erscheint. Ist dies der Fall, können Sie die SD-Karte für alle anderen problematischen Clients klonen. Sollte irgendetwas nicht funktionieren, erhalten Sie im Raspberry-Forum unter [6] oft weitere Hilfe.

Fazit

Mit PiServer gelingt das Aufsetzen einer aus Raspberry-Pi-Rechnern bestehenden Thin-Client-Umgebung im Handumdrehen. Die Geräte sind klein, leise und zumindest für Standard-Office-Anwendungen ausreichend performant.

(ln) Autor: Thomas Hümmler aus dem IT-Administrator Magazin Ausgabe 04/2019: Verwaltung mobiler und stationärer Clients Seite 71-73

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